Das Angebot


Stellen Sie sich folgende Situation vor:

Ein Arbeitgeber bietet Ihnen ein Jahresgehalt von € 10.000,-- und eine regelmäßige Gehaltssteigerung an. Dabei können Sie wählen, ob sie

  • nach jedem Jahr um € 1.000,--
  • nach jedem Semester um € 250,--
mehr erhalten.

Für welche Variante würden Sie sich entscheiden ?

Die meisten Menschen tendieren vermutlich aufgrund der Überlegung

2 ⋅ € 250,-- < 1 ⋅ € 1.000,--

zu Variante A.
Daß jedoch Variante B letztendlich mehr Gehalt ermöglicht, zeigt die folgende Gegenüberstellung:

Semester Höhe Summe Höhe Summe
1 € 5.000,-- € 5.000,-- € 5.000,-- € 5.000,--
2 € 5.000,-- € 10.000,-- € 5.250,-- € 10.250,--
3 € 5.500,-- € 15.500,-- € 5.500,-- € 15.750,--
4 € 5.500,-- € 21.000,-- € 5.750,-- € 21.500,--
5 € 6.000,-- € 27.000,-- € 6.000,-- € 27.500,-
6 € 6.000,-- € 33.000,-- € 6.250,-- € 33.750,--

Variante B liefert offensichtlich bereits nach dem ersten Jahr eine höhere Summe aller ausbezahlten Gehälter.

Und wie sieht die Entscheidung aus, wenn das Gehalt bei Variante B nur um € 200,-- angehoben wird ?

Aufgrund der bisherigen Ausführungen ist man dazu geneigt, auch in diesem Fall der Variante B den Vorzug zu geben. Eine Adaptierung der oberen Tabelle liefert für die ersten beiden Jahre:

Semester Höhe Summe Höhe Summe
1 € 5.000,-- € 5.000,-- € 5.000,-- € 5.000,--
2 € 5.000,-- € 10.000,-- € 5.200,-- € 10.200,--
3 € 5.500,-- € 15.500,-- € 5.400,-- € 15.600,--
4 € 5.500,-- € 21.000,-- € 5.600,-- € 21.200,--

Auch in diesem Fall ist offensichtlich Variante B bereits nach dem ersten Jahr die bessere Wahl.
Rechnet man jedoch weiter, so erhält man für die Folgejahre:

Semester Höhe Summe Höhe Summe
5 € 6.000,-- € 27.000,-- € 5.800,-- € 27.000,--
6 € 6.000,-- € 33.000,-- € 6.000,-- € 33.000,--
7 € 6.500,-- € 39.500,-- € 6.200,-- € 39.200,--
8 € 6.500,-- € 46.000,-- € 6.400,-- € 45.600,--

Die Summe aller erhaltenen Gehälter ist demnach während des dritten Jahres bei beiden Varianten gleich hoch und ab dem vollendeten siebten Semester bei Variante A besser.
Es ist also in diesem Falle klüger, sich für Variante A zu entscheiden.

Dies wirft die Frage auf, wie hoch die regelmäßige Gehaltssteigerung bei Variante B (mindestens) sein muss, um ab dem vollendeten ersten Arbeitsjahr "auf alle Fälle" eine höhere Gehaltssumme zu kassieren.

Bezeichnet man mit x die Zahl der Dienstjahre, so erhält man − dank der Summenformel für eine endlich arithmetische Reihe − für die Gehaltssumme bei Variante A

Jahr Gehaltssumme
1 10000
2 21000 = 10000 ⋅ 2 + 1000 ⋅ 1
3 33000 = 10000 ⋅ 3 + 1000 + 2000 = 10000 ⋅ 3 + 1000 ⋅ (1 + 2)
4 46000 = 10000 ⋅ 4 + 1000 + 2000 + 3000
46000 = 10000 ⋅ 4 + 1000 ⋅ (1 + 2 + 3)
x 10000 ⋅ x + 1000 ⋅ [1 + 2 + ... + (x − 1)] =
10000 ⋅ x + 1000 ⋅ [x ⋅ (x − 1)]/2

und bei Variante B

Jahr Gehaltssumme
1 10200 = 10000 ⋅ 1 + 200 ⋅ 1
2 21200 = 10000 ⋅ 2 + 200 + 1000 = 10000 ⋅ 2 + 200 ⋅ (1 + 5)
3 33000 = 10000 ⋅ 3 + 200 + 1000 + 1800
33000 = 10000 ⋅ 3 + 200 ⋅ (1 + 5 + 9)
4 45600 = 10000 ⋅ 4 + 200 + 1000 + 1800 + 2600
45600 = 10000 ⋅ 4 + 200 ⋅ (1 + 5 + 9 + 13)
x 10000 ⋅ x + 200 ⋅ {1 + 5 + ... + [4 ⋅ (x − 1) + 1]} =
10000 ⋅ x + 200 ⋅ x ⋅ (2x − 1)

Setzt man beide Gehaltssummen nach x Jahren gleich, so erhält man − wie bereits aus obiger Gegenüberstellung ersichtlich − für x den Wert 3.

Um nun zu einer Erhöhung von € a,-- bei Variante A jenen (Mindest-)Betrag von € b,--, ab dem Variante B mit absoluter Sicherheit ab dem vollendeten ersten Dienstjahr eine höhere Gesamtsumme ermöglicht, zu erhalten, erstellt man den Ansatz

10000 ⋅ x + a ⋅ [x ⋅ (x − 1)]/2 < 10000 ⋅ x + b ⋅ x ⋅ (2x − 1).

Dies liefert nach Umformen für b die Bedingung

b > a ⋅ (x − 1)/[2 ⋅ (2x − 1)].

Damit nun die Gehaltssummenkurve der Variante B in keinem Jahr x von jener der Variante A "eingeholt" wird, betrachtet man die Folge

a ⋅ (x − 1)/[2 ⋅ (2x − 1)]

für x gegen ∞:

Da die einzelnen Folgenglieder dank der (trivialen) Beziehungen

− 2a < 0 bzw. x < 2x

streng monoton wachsend und zugleich (etwa durch 0,5 ⋅ a) nach oben beschränkt sind, besitzt diese Folge − unter Zuhilfenahme der Regel von de L´Hospital − den Grenzwert a/4.

Dies bedeutet:
Einer Gehaltserhöhung von € a,-- pro Jahr ist genau dann eine Gehaltserhöhung von € b,-- pro Semester vorzuziehen, wenn b mindestens den Wert a/4 besitzt.



Das Säulendiagramm der Animation zeigt das Verhalten der beiden Gehaltssummen (die roten Säulen entsprechen der Variante A, die blauen der Variante B) für verschiedene Parameter der Variablen a und b in den ersten acht Dienstjahren.