Vertauschte Briefe


Eine Sekretärin schreibt fünf Briefe (mit verschiedenem Inhalt) und adressiert fünf Umschläge (mit verschiedenen Adressen). Anschließend steckt sie jeweils einen Brief − ohne auf die jeweilige Adresse zu achten − willkürlich in einen (noch leeren) Umschlag.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß mindestens ein Brief in den richtigen Umschlag gelangt ?

Bezeichnet man mit an die Anzahl der Möglichkeiten, daß bei n Briefen und n Umschlägen kein Brief im richtigen Umschlag landet, so gelten
a1 = 0 (ein Brief landet bei einem Umschlag stets in diesem)
und
a2 = 1 (bei zwei Briefen und zwei Umschlägen gibt es eine richtige und eine falsche Variante).

Für die Zahlen a3 und a4 gelten folgende Tabellen:

Umschlag 1 2 3
Brief 3 1 2
  2 3 1

Umschlag 1 2 3 4
Brief 2 1 4 3
  3 1 4 2
  4 1 2 3
  2 4 1 3
  3 4 1 2
  4 3 1 2
  2 3 4 1
  3 4 2 1
  4 3 2 1

Es gelten somit a3 = 2 und a4 = 9, wobei der Wert 9 für die Variable a4 auch durch folgende Überlegung erhalten werden kann:

Betrachtet man zunächst jene Fälle, in denen Brief 1 in Umschlag 2 landet, so kann folgende Unterscheidung durchgeführt werden:
Steckt Brief 1 in Umschlag 2 und Brief 2 in Umschlag 1, so können die restlichen 4 − 2 = 2 Briefe auf a2 = 1 Art den verbleibenden 4 − 2 = 2 Umschlägen falsch zugeteilt werden.
Steckt jedoch Brief 1 in Umschlag 2 und Brief 2 nicht in Umschlag 1, so können die drei Briefe 2, 3 und 4 den drei verbleibenden Umschlägen 1, 3 und 4 auf genau a3 = 2 Arten falsch zugeordnet werden (und zwar genau dann, wenn Brief 2 nicht in Umschlag 2, Brief 3 nicht in Umschlag 3 und Brief 4 nicht in Umschlag 4 landen).

Die bisherige Gesamtzahl a3 + a2 muß nun noch mit 3 multipliziert werden, da Brief 1 (fälschlicherweise) nicht nur in Umschlag 2, sondern auch in Umschlag 3 oder in Umschlag 4 gelangen kann.

Es gilt daher

a4 = 3 ⋅ (a3 + a2)

und in Verallgemeinerung

an = (n − 1) ⋅ (an - 1 + an − 2).

Für die gesuchte Wahrscheinlichkeit benötigt man daher zum einen die Formel a5 = 4 ⋅ (a4 + a3) und zum anderen die Tatsache, daß fünf Briefe fünf Umschlägen auf genau 5! = 120 Arten willkürlich zugeordnet werden können.
Damit ergibt sich:

P(E) = 1 − (44/120) = (19/30).

Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß genau (0 ≤) k (≤ 5) Briefe im jeweils richtigen Kuvert landen ?

Trivialerweise gibt es bei fünf Briefen und fünf Umschlägen genau eine Möglichkeit, daß alle fünf Briefe im jeweils richtigen Kuvert landen (d.h. P(X = 5) = (1/5!)), und zugleich keine Möglichkeit, daß genau vier der fünf Briefe in den richtigen Umschlag gesteckt werden (d.h. P(X = 4) = 0).

Für die Wahrscheinlichkeiten P(X = 0) bis P(X = 3) gilt:

Es gibt genau Formel 1 Möglichkeiten, daß von fünf Briefen genau k Briefe im richtigen Umschlag sind, zugleich können die restlichen 5 − k Briefe auf genau a5 − k Arten in einen falschen Umschlag gelegt werden.

Damit erhält man für 0 ≤ k ≤ 3:

Formel 2

Die Zufallsvariable X = "Anzahl der Briefe im richtigen Umschlag" besitzt also folgende Verteilung:

Formel 3

Formel 4

Formel 5

Formel 6

Formel 7

Formel 8

Bleibt zum Schluß dieses Artikels noch die allgemeine Fragestellung:

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß bei n Briefen und n Umschlägen genau (0 ≤) k (≤ n) Briefe im jeweils richtigen Kuvert landen ?

Hier ist es günstig, zuerst eine explizite Darstellung für die Zahl an (Möglichkeiten, daß keiner der n Briefe im jeweils richtigen Kuvert landet) zu entwickeln.

Aus den Formeln a3 = 2 ⋅ (a2 + a1), a4 = 3 ⋅ (a3 + a2) und a5 = 4 ⋅ (a4 + a3) erhält man durch Umformen bzw. Ergänzen:

a3 = 2 ⋅ (a2 + a1) a3 − 2 ⋅ a2 = 2a1 a3 − 3 ⋅ a2 = − a2 + 2a1
a4 = 3 ⋅ (a3 + a2) a4 − 3 ⋅ a3 = 3a2 a4 − 4 ⋅ a3 = − a3 + 3a2
a5 = 4 ⋅ (a4 + a3) a5 − 4 ⋅ a4 = 4a3 a5 − 5 ⋅ a4 = − a4 + 4a3

Nun gilt etwa

a5 − 5 ⋅ a4 = − a4 + 4a3 = − (− a3 + 3a2) = − (− (− a2 + 2a1)) = − a2 + 2a1 = −1

und in Verallgemeinerung:

an − n ⋅ an − 1 = − an − 1 + (n − 1).an − 2 = (−1)[an − 1 − (n − 1) ⋅ an − 2] =

= (−1)2[an − 2 − (n − 2).an − 3] = ... = (−1)n − 2(a2 − 2a1 = (−1)n − 2 = (−1)n


Daraus erhält man die Gleichung

an − n ⋅ an − 1 = (−1)n,

welche durch Umformung und anschließende Division durch n! in die Gleichung

Formel 9

bzw.

Formel 10

übergeht.

Setzt man nun 0! = 1, so kann die letzte Gleichung aufgrund der Summengleichheit

Formel 11

auch in der Form

Formel 12

dargestellt werden.

Für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit P(X = k), daß bei n Briefen und n Umschlägen genau (0 ≤) k (≤ n) Briefe im jeweils richtigen Kuvert landen, gilt daher:

Es gibt genau Formel 13 Möglichkeiten, daß exakt k Briefe in das richtige Kuvert gelangen und genau an − k Möglichkeiten, daß jeder der restlichen n − k Briefe in einen falschen Umschlag gesteckt wird.
Da alle n Briefe den n Umschlägen prinzipiell auf n! Arten zugeteilt werden können, erhält man somit:

Formel 14

Dabei gelten insbesondere

Formel 15

und

Formel 16.